Montag, März 02, 2009

Reisebericht - Teil 5

Freitag, 20.02.2009, Glasgow.

15:00 Uhr. Das Hostel ist nach 10 Minuten gefunden. Der Eingangsbereich sieht ganz okay aus, aber das Zimmer...uiuiui. Die Fenster blind, die Wände der Feuchträume angeschimmelt und, das setzt dem Ganzen die Krone auf, es gibt nirgendwo im ganzen Raum eine Steckdose.
Ein Glück war ich so clever und habe, für den Fall, in einem schlimmen Hostel übernachten zu müssen, mein Handy sowie meine Batterien noch in Edinburgh aufgeladen. Da konnte ich mir getrost auf die Schulter klopfen.
Da ich mich nicht unbedingt länger als zwingend notwendig im Zimmer aufhalten wollte, ging es dann direkt in die Stadt. Auf der Zugfahrt nach Glasgow habe ich in meinem ausgedruckten Reiseführer nicht wirklich Sehenswürdigkeiten gefunden. Daher trat ich auch hier den Weg zur Touristeninformation an. Wie sich gleich heraus stellt ist es lustig, dass es sowas gibt. Denn: Es gibt hier nichts zu sehen! Erwartungsvoll ging ich an den Schalter und fragte voller Herzblut und Entdeckerlust, was es denn hier feines zu sehen gäbe. Philip, der freundliche Schotte, fragte erst einmal, wie lange ich denn Zeit habe - bis morgen 16 Uhr. Dann präsentiert er mir auch gleich schon einen Stadtplan von Glasgow, um mir darauf alle Sehenswürdigkeiten zu zeigen. Wenn ich "alle" sage, dann meine ich auch "alle". Wir sind ja schließlich in Schottland. Und so erzählt er mir von der Glasgow Cathedral im Nordosten, den Universitäten im Norden und Westen, dem Park im Südosten und den Museen im Westen. Aber was gibt es noch zu sehen? Er hat sichtlich Probleme, mir auf meine "straight to the point"-Frage angemessen zu antworten, greift aber zu einer weiteren Broschre, in denen er mir die Museen schmackhaft machen will. Art Gallery, Mackintosh-Museum...laaangweilig! Ich will mehr! Was gibt es noch? Eine Stadtrundfahrt, die etwa 2 Stunden dauert. Aber auch nur, weil alles so weit auseinander liegt. Nachdem ich nach nochmaligem Nachfragen aber nach wie vor keine weiteren Sehenswürdigkeiten genannt bekam, gut, er erwähnte noch die Fußgängerzone und die Kinos, musste ich der Tatsache ins Auge sehen: Es gibt nichts zu sehen! Nichts. Gar nichts! Selbst wenn es das gäbe, wäre mittlerweile um 16:30 Uhr ohnehin schon alles geschlossen.
Daher laufe ich ein wenig durch die Stadt um wenigstens "Atmosphäre" aufzunehmen und später zurück zum Hostel. Dort hat sich mein Viererzimmer zwischenzeitlich gefüllt. Auf dem mir gegenüberstehenden Etagenbett liegen Klamotten und einige Minuten kommen zwei Jungs in mein Zimmer, die allerdings die verbleibenden Betten beziehen. Der eine ist Japaner...uah! Der andere stellt sich als Matt vor und fragt, ob ich denn gestern in Edinburgh gewesen sei. O_o
Hat er mich da rumlaufen sehen? Das Rätsel hat sich schnell gelöst: Er war mit mir im Zwölferzimmer, ca. 2 Meter von mir entfernt. Aber da er nie geredet hat, ist er mir nie wirklich aufgefallen...nur einmal, als er ins Zimmer kam und das große Licht an der Decke anschaltete als, mit Ausnahme von mir, das Zimmer bereits schlief. Matt kommt aus den USA, genauer gesagt aus Kalifornien. Wenn man ganz genau sein möchte, dann wohnt er irgendwo zwischen Los Angeles und San Diego. Derzeit studiert er aber ... in London. Wo auch sonst? London ist die in-Stadt schlechthin.
Mit Matt habe ich bestimmt zwei oder drei Stunden geredet. Irgendwann ging er sich dann aber noch ein wenig die Füße vertreten. Ich hatte mir im Stillen überlegt mich ihm anzuschließen, entschied aber, doch lieber Schlafen zu gehen - denn ich wurde schon wieder müde und am nächsten Tag wollte ich ja fit sein. 20:55 Uhr. Als ich grade im Prozess der Zahnreinigung war um eine gewisse Mundhygiene sicherzustellen und meinen Zahnarzt nach wie vor arbeitslos zu lassen, zerreißt es mir fast das Trommelfell: Ein lauter, super schriller Ton kreischt von überall auf mich ein und will nicht mehr aufhören.
Das muss ein Feueralarm sein! Ich gehe raus auf den Flur und sehe nach und nach immer mehr Köpfe, die aus den Türen herausgestreckt werden. Wohl um in Erfahrung zu bringen, was der Rest mache. Der Mensch ist ja doch irgendwie ein Rudeltier. Ich war partiell schon entkleidet und entschied mich, doch lieber auf Nummer sicher zu gehen, auch wenn ich mir dachte, dass wohl irgendein volltrunkener Halbstarker sich einen "Spaß" gemacht habe und den Feueralarm gedrückt hat. Mein japanischer Zimmerkollege war noch mit mir im Zimmer und wollte sich irgendwie gar nicht aus dem Zimmer bewegen. Erst als ich ihn ansprach und sagte dass wir wohl besser nach unten (wie waren im 6. Stock) gehen sollten, erhob er sich aus seinem Bett um die Leiter hinunterzuklettern. Auf dem Boden der Tatsachen angekommen, wartete er auf weitere Befehle. Anders klappt das bei Asiaten wohl nicht. Nun, und in mir hat er nationalitätsmäßig ja seinen Meister gefunden. Was anziehen wollte er sich aber nicht und so ging er in seinen Asiatenschläppchen, kurzärmeligem Japantrikot (das er zum Schlafen über zwei weitere Shirts drübergezogen hatte) und kurzer Hose in Richtung Ausgang. Denke ich zumindest, denn auf dem Weg nach unten war er plötzlich nicht mehr hinter mir sondern irgendwo verschollen.
Nun stand ich also auf der Straße und wartete mit den gesamten Gästen darauf, was wohl passieren möge. Da ich meine Sachen wegen der einen Übernachtung gar nicht ausgepackt hatte, nahm ich für den Ernstfall meine Tasche einfach mit - wodurch ich gegen Feuer, Flut und Atomreaktorschmelze gewappnet war.
Aus der Ferne waren Sirenen zu hören und schon bald standen 3 vollbesetzte Feuerwehrfahrzeuge vor dem Hostel und die Feuerwehrleute stürmten ins Hostel. Einige der blöden Gäste feierten die Anfahrt frenetisch und jubelten auf peinlichste Weise herum als mehr und mehr Fahrzeuge angefahren kamen. Sie ließen sich sogar vor den Fahrzeugen fotografieren.
Anders [d-pa], der ausschließich zu Reportagezwecken zwei qualitativ minderwertige Bilder mit seinem Mobiltelefon anfertigte:


Nach gut 30 Minuten in der abendlichen Kälte kam dann die Entwarnung: Fehlalarm, alles wieder zurück. Als ich wieder ins Zimmer kam, lag der Japaner schon wieder im Bett. Innerlich amüsierte ich mich ein wenig über ihn, denn so im Abendkostüm und ohne Brille sah er mit seinen zusammengekniffen Augen (der Sehfähigkeit wegen...) aus wie ein Maulwurf. Sehr amüsant.
Ich könnte wetten, der ist bei der "Flucht" zum Ausgang einfach ins Zimmer zurückgelaufen. Eine geschätzte halbe Stunde später kam Matt zurück und wir redeten nochmals ein Stündchen oder so...jedenfalls bis 22:45 Uhr. Dann verfasste ich noch meinen Tagebucheintrag und just in dem Moment als ich das Licht löschen wollte ging die Tür auf und ein blonder Kerl kam herein. Schätzungsweise 26 oder so. Er sagte nur "hi" und als er merkte dass der Rest des Zimmers schon bereit fürs Schlafen war, machte er das Licht aus und schlief auch.

Erkenntnis des Tages: So manch kostbare Lebenszeit wird sinnlos verschwendet.

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