aus: MaMo 15.05.08
Der Mitschnitt eines Beschwerde-Anrufs bei der Polizei, der auf bislang ungeklärte Weise an die Öffentlichkeit gelangt ist, entwickelt sich beim Internetportal YouTube zum Renner. Und macht die Anruferin unfreiwillig zum "Star". Innerhalb eines Tages wurde das Telefonat, in dem sich eine Waldhöferin in breitestem Mannemerisch über die laute Musik ihres Nachbarn beschwert (wir berichteten), weit über 10 000 Mal angehört. Gestern Nachmittag war die Datei bereits über 100 000 Mal aufgerufen worden, die Version ohne hochdeutsche Untertitel brachte es auf knapp 20 000 Klicks, eine bereits aufgenommene Hip-Hop-Version nochmal auf weitere knapp 10 000.
Der Anruferin aber geht dieser ganze Rummel langsam aber sicher "gehörig auf die Nerven". Medien und "Fans" belagerten sie, und wildfremde Menschen fotografierten das Klingelschild ihres Hauses. "Flucht nach vorne" heißt deshalb ihre Devise - sie gibt Interviews, lässt sich fotografieren und erzählt von der ganzen Geschichte. In der Hoffnung, dass "hoffentlich bald Ruhe" ist.
Wie die Frau heißt, weiß jeder, der sich die Datei im Internet angehört hat: Zehnbauer, Vorname Christine.Sie ist, so erzählt sie, 42 Jahre alt, geschieden, und sie lebt von Hartz IV. Vor zweieinhalb Wochen habe eine Freundin sie auf den im Internet kursierenden Mitschnitt aufmerksam gemacht. Seitdem hat sich der Alltag von Christine Zehnbauer extrem verändert. "Ich brauche nur in einen Laden gehen, da erkennen sie schon meine Stimme", berichtet sie. Und um den Schaulustigen vor dem Haus auszuweichen, bleibe sie in der Wohnung - "oder ich schaue einfach, dass ich gar nicht zu Hause bin". Der Nachbar, über den sie sich damals beschwert hat, ist übrigens umgezogen. Trotz seiner lauten Musik sind die beiden gute Freunde. "Ich seh' ihn ab und zu noch."
Über ihn ärgert sich Zehnbauer nicht, um so mehr aber über die Polizei - weil der Mitschnitt an die Öffentlichkeit kam. Die 42-Jährige will deswegen Anzeige erstatten. Entgegen den Aussagen der Polizei sagt sie, das Präsidium habe sich bei ihr nicht entschuldigt. Dem widerspricht Polizeisprecher Volker Böhm. "Es gibt sogar ein Protokoll."
Auch die Politik hat sich in dem Fall inzwischen zu Wort gemeldet. Die Grünen sehen ihre "Kritik an der Aufzeichnung und Speicherung von Daten durch die Polizei bestätigt" - gerade auch im Hinblick auf die Videoüberwachung.UPDATE:
Der Rummel um die Sache "Zehnbauer" gefällt nicht jedem - vor allem nicht Mitbürgern gleichen Namens. Diese werden jetzt zu "Youtube-Opfern" Zehnbauers in MA:
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