Donnerstag, November 13, 2008

Logorrhoe

Da sitze ich nun. Donnerstag, 23:04 Uhr Ortszeit. Internet geht mal wieder nicht. Mittlerweile der zweite Tag in Folge. In Spanien und Teilen Frankreichs wird bereits geschlafen, die Mieter über unserer Wohnung testen wie so häufig nachts den Bass ihrer Anlage. Gelegentlich wird noch das ein oder andere Teil an bzw. in der Wand befestigt. Klopf, hämmer.
Tja, und mein unbedeutendes Selbst weiß nichts mit sich anzufangen. Keine Filme zum Anschauen, keine Musik, die nicht schon so oft gehört wurde. Mein Zimmer, just in diesem Moment geschätzte 3,5x3m² groß, ist der Ort, in dem ich sitze. Nicht auf dem Stuhl, den gibt es hier drin nicht. Auf dem Bett – wie schon an jedem einzelnen Tag zuvor. Jeder Tag endet dort, wo er begonnen hat und auf jede Nacht folgt ein neuer Morgen. Mir gegenüber ist das Fenster, ein Glubschauge in Normalgröße, durch das man von der Dachterasse aus hineinschauen kann. Das ist der Grund, warum ich meine Jalousie immer unten habe. Nicht dass mir jemand mein Laptop nimmt, dann wäre ich komplett verloren. Aber meist sieht man nichts, denn die Scheiben laufen immer an: Zu viel Feuchtigkeit. Der Entfeuchter lief schon das ein oder andere Mal, nur damit man am nächsten Tag feststellen konnte, dass er wohl doch nichts gebracht hat.
Heute habe ich die Vorhänge installiert, die sich in der Ecke des Zimmers gefunden haben. Sehr versifft, leicht angeschimmelt. Aber gewaschen wurden sie. Man kann sie aber merkwürdigerweise nicht an der Vorhangstange an der Wand befestigen, da die Haken nicht auf die Stange passen. So habe ich die Stange einfach hinter den Haken vorbei durch den Stoff gebohrt. Sieht nicht toll aus, aber erfüllt den Zweck. Wie jede Wohnung in London, glaube ich. Gerade überlege ich, was eigentlich der Zweck der Vorhänge ist. Meine Hoffnung war, dass sie den Raum vielleicht ein wenig abdunkeln würden. Mal schauen. Wenn es nicht klappt, ist es auch nicht schlimm, denn das Licht, das an der Jalousie vorbeischimmert, ist eigentlich nicht der Rede wert.
Links neben dem Fenster steht eine Kommode. Die Front des oberen Schiebers werde ich sicherlich irgendwann in der Hand halten, steht jetzt schon so komisch ab. Auf der Kommode stehen meine Kosmetika, umgeben von irgendwelchen Papieren und Zetteln, die ich da mal hingelegt habe aber eigentlich nicht mehr weiß, was eigentlich darauf geschrieben steht. Gut, ein Teil sind meine Hausaufgaben, die ich diese Woche eingesammelt hatte. Müssen noch korrigiert werden. Habe aber keine Lust. Ich bin eigentlich zufrieden, hier in meinem Zimmer, auf meinem Bett.
Die vier Schieber meiner Kommode enthalten übrigens in Schieber 1: Reisepass, Impfausweis, irgendwelche Papiere vom Goethe –Institut. Schieber 2 ist der Elektronik-Schieber, in dem sich sämtliche Kabel finden, aber auch anderer Kram, der mittlerweile dort hineingewandert ist. Abermals irgendwelche Zettel. In Schieber 3 ist sicherlich auch etwas drin. Höchstwahrscheinlich Zettel. Der letzte Schieber enthält meine Bankunterlagen und sonstiges, was auf den ersten Blick wichtig erscheint.
In der gegenüberliegenden Ecke des Raumes steht mein Schrank. Auf den Kleiderbügeln hängen meine Hemden, Hosen, Anzüge. Oben im Ablagefach liegen Shirts, Shorts, Polos, unten stehen ein Paar Schuhe, die ich seit meiner Ankunft aber noch nie angehabt habe. Die Türen des Schranks stehen immer offen. Darüber hängt mein Handtuch, meine Jacke und mein Mantel bzw. die Kleidung für den nächsten Tag. Wie gesagt, einen Stuhl gibt es keinen, worüber man das Zeug legen könnte. Somit muss die Schranktür herhalten.
Mein Blick schnellt gerade zurück zum Fenster, genauer gesagt unten zur Heizung, aber jetzt wieder hoch zur Fensterbank. Hier liegt mein Geldbeutel, meine Uhr, Kaugummis, meine deutsche SIM-Karte und ein Kuli. Der Kuli liegt da, weil ich neben einem Stuhl auch keinen Tisch habe. Gut, draußen im Wohnzimmer gäbe es eine Kommode, aber ich habe ohnehin nichts zu schreiben. Die Kommode, die ich gestern von der Lehrerin geholt habe, steht jetzt auch im Wohnzimmer, in die Schieber hätte ich, nach einigem Überlegen, wohl ohnehin nichts legen können. Vielleicht bekomme ich einen Computertisch von der Lehrerin, dann könnte ich da zumindest mein Laptop draufstellen. Der Tisch käme auch nach rechts. Neben den Schrank, so dass man, wenn man das Zimmer betritt, direkt darauf schaut. Dieses Detail ist nicht wichtig, aber es ist eigentlich der einzige Platz, den ich noch zur Verfügung habe. Oder vielleicht doch nach links, vor das Bett und vor die Kommode? Mal schauen, aber ich hatte mich gedanklich mit mir schon auf den Platz auf der rechten Seite geeinigt.
Mein Bett. Ganz okay, im Prinzip besser als die Schlafcouch in der alten Wohnung bei den Stebbings. Bei der hatte ich aufgrund der Metallstreben immer Schmerzen an der Hüfte. Meine jetzige Matratze ist aber in Ordnung, sie liegt auf vier komischen würfelförmigen Teilen, die unten Rollen haben und wohl dem Zweck dienen, die Matratze wie in einem Bett auf eine gewisse menschenwürdige Höhe zu bringen. Das einzige Problem hierbei ist, dass just diese Teile bei jeder Bewegung quietschen. Ich dachte ja erst, es sei die Matratze selbst, aber bei einer genaueren Untersuchung des Problems, konnte ich gestern die endgültige Diagnose stellen. Das ist mein Zimmer. Cremefarbene Wände, die Decke in weißem Rauhputz. In der Mitte hängt eine Glühbirne von der Wand herab, die von einer Papiertüte umgeben ist. Könnte auch Plastik sein, aber sieht so aus wie eine dieser komischen runden Lampenschirme aus Pergamentpapier, die man früher hatte. Aber mein Schirm ist pseudo-modern geschwungen und länglich. Letzteres hat übrigens zum Problem, dass ich beim herumlaufen im Zimmer ab und an mit dem Kopf dagegen stoße. Ich denke mir dann, dass ich das nächste Mal daran denken sollte, dass hier die Lampe hängt, aber ich laufe so oder so wieder dagegen.
Der Franzose neben an hat gerade das Licht ausgemacht. Jetzt schläft ganz Frankreich. Bonne nuit. Morgen früh um 6 kräht im zur Straße gelegenen Frankreich wieder der Hahn. Bonjour, der Tag will wohl genossen werden. Im anderen Spanien steht man geschätzt um 8 Uhr auf, in Spanien wohl so gegen 8:30 auf. Ich habe wie immer alles ausgerechnet, mir reicht es unter der Bedingung, dass niemand Küche oder Bad blockiert, wenn ich um 9:05 aufstehe. Der Bus fährt um 9:30 bzw. 9:35 vor dem Haus ab. Offiziell aber nur, wenn man sich ein Ticket leisten kann: Dafür habe ich heute früh gesorgt, weswegen ich um 8:55 aufstehen musste. Jetzt sind wieder 20 Pfund auf meine Busfahrkarte aufgeladen. 20 Pfund sind übrigens auch das, was ich bis Ende des Monats noch im Geldbeutel habe. Wenn weg, dann weg. Auf dem Bankkonto liegen noch 6,22 Pfund, sozusagen die eiserne Reserve - wie die letzte Kugel oim Krieg. Am 26. November kommt das Geld von der Schule, dann kann gelebt werden. Zumindest bis zum 27. November, da muss das Geld für die Miete überwiesen werden. Aber das ist schon okay, diesmal geht ja kein zusätzliches Geld für Gebühren und Kaution drauf. Da bleibt dann weitaus mehr Geld übrig als diesen Monat.
Aber das lasse ich erstmal auf mich zukommen. Bis dahin werde ich, versunken in meine Gedanken und auf dem Bett sitzend, über dies und das sinnieren, letztendlich aber doch zu keinem Ziel gelangen, weil am Ende alles so unendlich und ohne Antwort erscheint.

1 Kommentar:

  1. Tja so ist das mit dem alleine wohnen ... aber du scheinst dich ja halbwegs zu schlagen, wobei 20 Pfund für 13 Tage Essen und sonstiges Lebenserhaltendes nicht viel sind. Wünsch dir viel Erfolg beim Haushalten!

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