Bald ist Weihnachten. Der Heilige Abend ist immer das Größte für mich - und für meine Familie. Denn Heiligabend gibt es Rotwein - fertig. Wir öffnen gemeinsam Flasche um Flasche und ich bin erstaunt, wie viel Traubensaft man an so einem Abend konsumiert. Familiär gesehen funktioniert das aber nur einmal im Jahr, weil wir, wie wohl ganz Deutschland, im Advent in der Blütezeit unserer Saufkondition stehen. Der Grund dafür liegt auf der Hand, das Ergebnis als Kotze auf dem Pflaster jeder mittelgroßen Kleinstadt: Der Weihnachtsmarkt.
Als Kind denkt man noch: "Meine Güte, was haben diese Erwachsenen alle mit ihrem scheiß Weihnachtsmarkt?" Kein Autoscooter, keine Geisterbahn. Nur depressiv im Kreis laufende Pferde (und Erwachsene), gebrannte Mandeln (zugegebenermaßen sehr lecker) und Stände, an denen überteuert entweder Schmuck für Esoteriker, Holzsspielzeug oder selbstgestrickte Mützen feilgeboten werden.
So ein Weihnachtsmarkt hat nicht lange auf, also muss man, möchte man von dem Glitzern auch etwas in den eigenen Augen haben, bereits um 16 Uhr mit dem Trinken anfangen. Und schwupps stehen sie da: Betriebsausflüge und Kegelvereine, Arm in Arm mit angeschlagenen Vätern, die ihrem Filius eigentlich nur schnell im Vorbeigehen etwas zu essen kaufen wollten, sich aber dem ein oder anderen Liter Glühwein dann aber doch nicht entziehen konnten. Weihnachtliche Stimmung geht unter diesen Umständen schnell verloren. Ob im Hintergrund nun der Papst das "Ave Maria" singt oder Mickie Krause seinen Hit "Zeig doch mal die Möpse" oder umgekehrt, ist den Leuten ab 18 Uhr egal.
Aber es ist ja kein Wunder, dass alle so betrunken sind. Ich habe mich zum Einstand an so einer Feuerzangenbowlenbude postiert. Zu Recherchezwecken, versteht sich. Gegen Feuerzangenbowle ist ein Long Island Ice Tea die Caprisonne unter den Mixgetränken. Dennoch fand ich in diesem Moment die Antwort auf die Frage, die ich mir schon mein Leben lang stellte. Endlich wusste ich, was ich werden wollte wenn ich nüchtern bin: Feuerzangenbowlenabschmecker, der wohl tollste Beruf der Welt. Dazu wahrscheinlich der einzige - außer jetzt vielleicht als Sprecher der Tagesthemen - bei dem Alkoholismus in der Stellenausschreibung explizit eingefordert wird. Aber ich verliere mich im Detail.
Später am Abend sagte mir der Budenkellner, dass sie dichtmachen. Es sei ja schon halb neun. Gefühlte Zeit bei mir: Kurz vor fünf. Und während ich im Zickzack und Last Christmas summend die Straße runtergehe, fällt mir ein: Nur noch 28 Mal besoffen sein, dann ist Weihnachten.