Montag, November 05, 2012

Von traurigen Kindern und (Krokodils-) Tränen

Sollte ich irgendwann einmal gefragt werden was ich gut kann, so werde ich getrost mit "Kinder zum Weinen bringen" antworten.
Zuletzt mal wieder heute in einer 7. Klasse geschehen. Zunächst hatte der betroffene Knabe fristgerecht seine Strafarbeit aus der letzten Stunde abgegeben. Das Stören des Unterrichts ging trotzdem wieder weiter. Nach mehreren Mahnungen und einer "letzten Warnung" war es dann doch wieder passiert und die Sanktionsgewalt brach über den jungen Mann herein, der alsbald nicht mehr als ein Häufchen Elend war: Dicke Tränen rannen die Wangen hinab und in die Richtung, die den Grad an Verständnis für die Aktion widerspiegelte.
Unter uns: Ganz allein war ich dafür nicht verantwortlich. In der Stunde zuvor gab es die Deutscharbeiten zurück und die sind wohl nicht sonderlich gut ausgefallen. Umso größer wohl des Schülers Furcht, neben der Klassenarbeit nun schon wieder eine Strafarbeit zur Unterschrift zu Hause vorzulegen.
Aber das war noch längst nicht alles: Beim Betreten des Klassenzimmers hockte ein anderer Schüler der Klasse mit glasigen Augen, die jeden Moment überzulaufen drohten, neben der Tür. "Da war wohl Gewalt im Spiel", war zunächst mein Gedanke. Doch auch hier war die Ursache der Bekümmertheit in der Deutscharbeit zu finden: Eine 4 hatte es gegeben und das wiederum habe beim Filius ein vierwöchiges "Kontaktverbot" zur Folge (Hausarrest nannten wir das früher). Ganz blöd war da die Tatsache, dass aufgrund einer früheren, verhauenen Klassenarbeit die vier Wochen Arrest just an diesem Tag ausgelaufen waren. Somit war nun, um im Fußballjargon zu sprechen, von einer Verlängerung auszugehen.
Bei all der Verzweiflung konnte ich einmal mehr mein pädagogisches Feingefühl ins Spiel bringen, das ich nirgendwo gelernt und auch nicht als sonderlich ausgeprägt bezeichnen würde. Allerdings klappt es, zu meiner eigenen Überraschung, meist doch irgendwie: Nachdem ich dem Schüler ausredete, weiter nach einem Messer zwecks Suizids zu fragen bzw. dieses Vorhaben in die weitere Planung seines Tages aufznehmen, schickte ich ihn mit einem Mitschüler auf eine kleine Tour durchs Schulhaus - "um sich zu beruhigen". Ehrlich gesagt wollte ich das Problem nur möglichst schnell los werden um mit meiner Stunde anfangen zu können. Schließlich stand die halbe Klasse auf dem Gang und machte Krach. Nach gut 5 Minuten kamen die beiden dann wieder ins Klassenzimmer zurück und die Welt schien nun schon wieder etwas besser auszusehen. Sicherheitshalber habe ich der Klassenlehrerin noch Bescheid gegeben und empfohlen, ggf. das Gespräch mit der Mutter zu suchen. Das habe es aber vor einigen Wochen schon gegeben und die Mutter zeigte sich da wohl sehr schockiert davon, welche Geschichten sich der Junge ausdenke - wohl in der Absicht, sich doch noch eine bessere Note zu verschaffen. Morgen wird sie aber das Gespräch mit dem Jungen suchen. Warten wir mal ab.

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