Samstag, März 07, 2009

Bleibt alles anders

Hier im Vereinigten Königreich ist ja alles ein wenig anders:
Unsere Queen heißt Liz und nicht Angie, die Autos fahren auf der falschen Seite, man läuft auch im Winter mit T-Shirt und Shorts draußen rum, man ersetzt Dinge erst wenn sie wirklich gar nicht mehr irgendwie notdürftig und provisorisch zu reparieren sind, ja, man scheint sich ganz allgemein einfach weniger Gedanken zu machen - was ja nicht schlecht sein muss.

Gedanken hat man sich auch im Bereich des Gesundheitswesens gemacht.
Der Ein oder Andere mag sich noch an meine schwere Erkältung mit Todesprognose erinnern ([d-pa] berichtete). Das war der Grund, weshalb ich mich im Februar bei meiner Arztpraxis vor Ort registrieren ließ. Sowas ist hier erforderlich, da man sonst vom Arzt abgewiesen werden kann oder die Behandlung selbst zahlen muss. Nun komme ich also in die Praxis, schildere mein Anliegen, lege die erforderlichen Papiere vor (Nationale Versicherungsnummer, Ausweis, Impfpass, letzte Energie-/Telefonrechnung zur Adressverifizierung). Ich musste dann noch ein Formular mit meinen Daten ausfüllen und auch meinen ethischen Hintergrund angeben. Hier nennt man das Rasse, in Deutschland tut man sich mit solchen Begrifflichkeiten aber ja etwas schwer - belassen wir es also beim "ethischen Hintergrund". Obwohl alle möglichen Angaben überaus interessant und verführerisch waren, entschied ich mich gegen White (Irish) und gab White (other) an.
Aber das ist eigentlich gar nicht so interessant. Interessanter war viel eher das, was ich während des Ausfüllens beobachten konnte: Die ganze Patientenverwaltung in der Praxis ist computergesteuert. Der Patient betritt die Praxis, geht nicht zur Sprechstundenhilfe sondern läuft geradewegs auf einen Computer mit Touchscreen zu, wo er seinen Namen eingibt (oder die Patientennummer) und anklickt, zu welchem Arzt er möchte bzw. unter welchen Gebrechen er denn leide. Man setzt sich dann ins Wartezimmer und irgendwann leuchtet die Anzeigetafel an der Decke auf, eine Computerstimme liest deinen Namen und sagt dir, in welches Zimmer du sollst.
Als ich das sah, saß ich erst einmal mit großen Augen da O.O - wow! Willkommen in der Praxis der Zukunft. Ohne menschlichen Kontakt ging es dann aber glücklicherweise doch nicht. Die Behandlung wird nach wie vor von Menschen vorgenommen.
Nachdem ich das ganze Prozedere in ausreichendem Maße beobachtet hatte, gab ich mein Formular zurück und wollte wieder gehen - aber: Ich muss bevor ich registriert werde noch eine Miktionsspende abgeben und die Krankenschwester sehen. Nun ja, vielleicht sieht die Schwester ja ganz nett aus. Also blieb ich gerne und durfte den PC benutzen *hihi*. Angemeldet habe ich mich für die "nurse". Nach etwa 5 Minuten warten wurde dann mein Name aufgerufen und das nicht so computermäßig, sondern mit richtig guter Sprachausgabe. Zimmer 4.
Dort angekommen erblicke ich eine typisch englisch aussehende Lady in ihren Mittfünfzigern. Hmm gut. Also konzentriere ich mich auf das Wesentliche. Der Blutdruck wird gemessen (perfect), meine epische Krankenchronik aufgenommen, auf Messen und Wiegen wird auf meine Angaben zurückgegriffen, wobei bei der Körpermasse nichts ins System eingegeben wurde - denn keiner von uns beiden wusste wie man Kilogramm in Stone umrechnet. Die Dame fragte mich, was ich denn hier mache und fand das alles ganz toll. Auch mein Englisch, das wirklich sehr gut sein soll. Und so nahm alles seinen Lauf. Ich sei ja solch ein "nice, strong lad". Die medizinischen Dinge waren schnell erledigt, und für etwa 20 Minuten haben wir einfach nur erzählt. Auch über die Bonuszahlungen von Bankmanagern kommen wir zu sprechen und da werde ich schon gleich in die intimen Geheimnisse der Praxis eingeweiht. Ich solle, so die Lady, draußen nichts sagen, aber eine der Ärztinnen in der Praxis sei ja mit einem hohen Banker verheiratet und sei kürzlich umgezogen in eine riesige drei Millionen Pfund-Villa. Finanziert worden sei das alles über eine Bonuszahlung des Gatten. Was für eine Schweinerei das nur sei, da doch die Manager die große Kohle einstecken und der kleine Mann entlassen wird. Unmöglich!
In absoluter Einigkeit darüber ging man auseinander und ich trat wieder den Heimweg an.


Soviel zum Gesundheitswesen. Aber auch im Sanitärbereich erblickt man hier Dinge, die man von anderswo nicht kennt. Wie etwa einen vollautomatischen Handwaschapparat in Reading, der zuerst eine wohldosierte Menge Flüssigseife auf die Hand gibt, dann schätzungsweise 275ml Wasser nachgiest und direkt im Anschluss das Luftgebläse zur Handtrocknung einschaltet. Faszinierend!
Zum Thema Handtrocknung noch eine kleine Anekdote: Hier gibt es nicht nur diese typischen Gebläseteile, die man auch aus Deutschland kennt und die eigentlich gar nichts bringen, hier gibt es von Dyson regelrechte Turbo- Bläser Gebläse, in die man seine beiden Hände vertikal reinsteckt und bei einer Luftgeschwindigkeit von über 140 Meilen binnen Sekunden trocknen kann. Grandios! Solche neuen Erfindungen könnte ich den ganzen Tag lang ausprobieren.
Mal schauen was sich mir noch so alles offenbaren wird.

Was ist noch anders hier?

  • Hans Riegel schreibt an alle HARIBO-Esser eine Botschaft auf die Packung...bei uns aber nicht - der Arsch!
  • Nudeln sind aus Dürüm.
  • Senioren werden ermahnt nicht zu schnell zu laufen (wegen erhöhter Unfallgefahr (Oberschenkelhalsbruch usw.)).

  • Es knospet.


  • Ich konnte hier endlich herausfinden wie die Drecksviecher von Tauben schlafen: Hocken sich unter eine Brücke, drehen den Arsch in Richtung laufendes Menschen-Fußvolk und chillen.

3 Kommentare:

  1. Die Lichtgeschindigkeitsgebläse gibts auch in Deutschland. Beispielsweise im Boland's! Vorsicht vor voreiligen Schlüssen!

    Ansonsten viel Glück, dass du jetzt dank Frühling vor weiteren Todeskrankheiten gefeit bist. Aber das ist ja meist immer so sobald man sich mal bei Arzt registriert hat...

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  2. Was bitte ist Boland's?
    Und warum hat das ein "possessive 's" ?

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  3. ein Café in Mannheim. eher DAS In-Café für junge, erfolgreiche Menschen wie mich... ;)
    http://www.bolands.de/

    warum "'s"? Vielleicht gehört es ja einer Frau Boland?! Ich weiß es nicht... aber nachdem ich ein Restaurant namens "Leben'sArt" gesehen habe, wundert mich nichts mehr!

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